10. Dezember 2016
von philipp.guenther
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Manchmal hört man, sei es von Kollegen oder in der Familie, dass es schlimmer sei ein älteres Kind zu verlieren. Das macht mich oft sprachlos, denn 1. finde ich, das wertet Jaris Leben ab, sei es noch so kurz gewesen, 2. wertet es unsere Trauer ab, gerade so, als ob wir uns dafür rechtfertigen müssten, und 3. frage ich mich, wie überhaupt jemand, der das große Glück hatte so einem Verlust nicht selbst zu erleben, darüber urteilen kann…
Dabei ist der Schmerz und die Trauer dieselbe, ganz egal wie alt das Kind war, als es verstorben ist.
Jari war drei Tage alt, als er friedlich auf meiner Brust eingeschlafen ist. Ich bin froh, dass er so gehen konnte, nicht mehr an Maschinen angeschlossen, sondern in unserer Mitte. Da, wo er auch gelebt hätte, und auch jetzt noch weiterlebt. Ja, Jari hat nicht physisch mit uns gelebt, wir konnten all die Dinge nicht mit ihm erleben, die Eltern normalerweise mit ihren Kindern erleben. Aber wir tun es doch, in unseren Vorstellungen und Gedanken, da wächst Jari mit. Und da wir Jari so gut kennen wie niemand sonst auf der Welt, haben wir oft sogar eine ganz gute Vorstellung davon. Wir leben mit ihm, und ohne ihn. Und das tut weh. Es tut weh, das alles nicht ganz real erleben zu dürfen, es tut weh, dass Jari nicht leben darf, es tut weh, sein Kind nicht in den Arm nehmen zu können und nicht zu sehen, was für eine kleine Persönlichkeit sich da entwickeln würde und ob sie mit der aus der Vorstellung bzw. aus den Erlebnissen aus seinem kurzen Leben übereinstimmt. Es tut weg, jeden einzelnen Tag.
Neulich schrieb mir eine andere „verwaiste Mutter“, dass es sie oft traurig mache, dass andere Menschen in ihrem Umfeld so tun als sei nichts geschehen. Als sei ihr Kind nicht da gewesen. Ich denke, dass kennt jeder, der ein Kind vor oder kurz nach der Geburt verloren hat. Das schmerzt noch mehr. Denn die Kinder sind bei uns, und wir sind ihre Eltern und wer will schon, dass sein Kind ignoriert wird? Oder vergessen? Oder einfach verschwiegen. Weil’s leichter ist. Für die anderen, nicht für die Eltern.
Dabei gibt es für uns als Eltern nichts Schöneres als an Jari zu denken und ja, auch von ihm sprechen, über das was er von Mama und von Papa hatte, über das was wäre, was er nun entdecken würde, und davon, wie er uns den Kopf verdreht hat.
Es ist so wichtig für uns das wir das tun! So bleibt Jari ein Teil von unserem alltäglichen Leben. Es ist unwahrscheinlich schmerzhaft sich vorzustellen was nicht ist und nie sein wird. Aber es ist auch heilsam ihn so bei uns zu haben.
Das ist die Trauer von Eltern, deren Kind verstorben ist, ganz egal in welchem Alter: Es fehlt einfach ein großer Teil von einem selbst, und ein großer Teil Zukunft.